Es gibt Zeiten, da muss man aufstehen und kämpfen. Widerstand leisten. Für sich selbst Verantwortung übernehmen. Gott sagt: „Steh auf und kämpf!“ Und man hat gar nicht gelernt zu kämpfen. Oder es vergessen. Und nachdem man den Mut gefasst hat, die gewohnten Handlungsmuster des Kleinbeigebens zu verlassen, ist man erschrocken und erst einmal überfordert mit der Wucht des Gegenwindes. Doch dann wird man stärker. Mutiger. Gewinnt Hoffnung und Ausdauer. Wird geschickter im Argumentieren - auch gegen die inneren feindlichen Stimmen. Erkennt und respektiert die eigenen Grenzen und die des anderen. Versöhnt sich mit seinen eigenen Schwächen und denen des anderen. Fällt immer seltener und bleibt immer öfter stehen.
Und dann gibt es Zeiten, da möchte man kämpfen. Auf das Recht pochen. Für sich selber oder andere einstehen. Doch Gott sagt: „Sei still. Warte ab. Mach nichts.“ Wie jetzt? Einmal Widerstand und einmal Ergebung?
Zur Jesusnachfolge gehört beides: Bösem zu widersprechen, selber Entscheidungen zu treffen, sich nicht vereinnahmen zu lassen, nicht mitzumachen, Partei zu ergreifen.
Und dann aber auch: still sein, auszuhalten, auszuharren, abzuwarten, zu ertragen, Geduld zu üben.
Beides ist eine bewusste Entscheidung. Und beides erfordert Vertrauen in Gottes Handeln. Ohne Gott an meiner Seite ist mein Kämpfen kaum mehr als Egoismus, vielleicht Verzweiflung, oder einfach nur Manipulation und Kontrolle – keine echte Stärke, sondern Schwachsein, das sich in Aggression kleidet.
Stillsein ohne den Glauben an Gottes Souveränität ist einfach nur Feigheit, Bequemlichkeit, falsch verstandene Unterordnung und nicht selten fromm versteckter Stolz.
Stark sein oder schwach sein, kämpfen oder nachgeben: beides erfordert Mut, Glaube, Vertrauen, Liebe.
Am Ende ist es Gott, der handelt und der selber unsere Stärke sein will. In beidem, in unserer Aktion als auch in unserer Ruhe. Je mehr ich in ihm bin, desto mehr und besser kann ich beides: Widerstand leisten oder nachgeben, entgegentreten oder zurückweichen, andere führen oder mich unterordnen. Je nachdem, wie Gott gerade zu mir redet.
Zu erkennen, was in welchem Moment gefragt ist, gehört zu den entscheidenden Lernprozessen in meiner Jesusnachfolge – immer noch. Ich möchte immer besser Gottes Herz kennen, seinen Willen für mich und die Welt verstehen. In seiner Liebe sein – seine Liebe für die Welt und für mich. Es fordert mich immer noch heraus, vollkommen Gott zu vertrauen und das Risiko einzugehen, alles zu verlieren, weil ich in ihm alles gefunden habe.
Bei Jesus am Kreuz sehe ich beides: Es ist der entscheidende göttliche Angriff und es ist doch auch tiefstes Schweigen. Jesus erniedrigt sich und ist doch gleichzeitig verherrlicht. Er stirbt und im gleichen Moment wird sein ewiges Leben den Tod besiegen. Jesus wird schwach und doch ist seines Vaters Stärke unbesiegbar in ihm. Er ist dort am Verlieren und wird den Kampf gewinnen.
So können auch wir nur wirksam stark sein, wenn wir gelernt haben vor Gott schwach zu sein. Wir können nur dann überwindend schwach sein, wenn er in uns stark ist.
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